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(ROF)
Licht aus in Trollhättan
Von Jürgen Pander
Wer mal einen Saab gefahren hat, muss dies betrauern: Der schwedische Autohersteller stellte Insolvenzantrag und steht damit nach monatelangem Ringen um frisches Geld vor dem endgültigen Aus. Die Autowelt verliert eine Marke, die immer für eine Überraschung gut war.
Meine erste Fahrt in einem Saab endete mit einem Schweißausbruch. Der Zündschlüssel in der Mittelkonsole ließ sich nicht abziehen. Das Malheur passierte ausgerechnet an einer Tankstelle zur Feierabendzeit. Um mich herum zahlreiche Autos ohne Sprit, deren Fahrer nicht so aussahen, als wären sie Weltmeister im Geduld aufbringen. Schnell mal einen Kumpel anrufen um nachzufragen ging auch nicht - ich hatte damals noch kein Mobiltelefon. Also: Rein in die Tanke und kleinlaut um Hilfe bitten. Der Rückwärtsgang! Der Rückwärtsgang musste eingelegt werden! Erst dann flutschte der Schlüssel heraus. Die erste und wichtigste Saab-Lektion hatte ich gelernt: Dieses Auto ist anders.
Mehrere Jahre und einige Saab-Modelle später - die ich leider immer nur beruflich und deshalb nur für wenige Tage fuhr - besuchte ich das Saab-Museum gleich neben dem Stammwerk in Trollhättan, nordöstlich von Göteborg gelegen. Dort begreift jeder Besucher sofort, dass die schwedische Marke eben nicht nur noch eine weitere Truppe von Autobauern waren, sondern dass sie eine Mission erfüllten: Nämlich die, eine Alternative zu konstruieren, die schicker, schlanker, sportlicher und meinetwegen auch ein bisschen schrulliger war als andere Autos.
Die Manager von General Motors (GM), die Saab 1989 ihrem Konzern einverleibten, begriffen das leider nicht. Und so wurde Saab mehr und mehr zu einem immer beliebigeren Autohersteller. Hier und da gab es noch eine grafische Anspielung auf die Tradition als Flugzeughersteller, als der die Svenska Aeroplan Aktiebolaget (Akronym: Saab) 1937 gegründet worden war, im Grunde aber bestanden die Saab-Modelle aus Großserientechnik, die auch bei Opel, Cadillac, Buick oder sonst wo im GM-Universum eingesetzt wurde.
Das Siechtum unter der Verantwortung von General Motors währte bis 2010. Die Amerikaner wollten das Unternehmen eigentlich abwickeln, entschieden sich im letzten Moment jedoch anders und verkauften es an den holländischen Sportwagenhersteller Spyker, dessen Vorstandschef Victor Muller jetzt die Insolvenz bekannt gab. Es sah für ein paar Monate so aus, als werde nun wieder alles gut. Der Designer Jason Castriota skizzierte bereits neue und doch wieder im klassischen Saab-Stil gehaltene Autos. Die werden jedoch wohl niemals gebaut.
Von der Rallye-Legende zum Sanierungsfall
Denn gute Ideen reichen natürlich nicht. Man braucht vor allem haufenweise Geld, und das fehlte bei Saab an allen Ecken und Enden. Seit rund neun Monaten standen die Produktionsbänder schon still. Die Schulden bei Lieferanten und gegenüber der eigenen Belegschaft - etwa 3600 Mitarbeiter beschäftigte Saab bislang - summierten sich nach manchen Quellen bereits auf Milliardenbeträge.
Wenn Saab untergeht, wird eine Lücke klaffen. Denn die Schweden waren einmal angetreten, um kleinere, anders proportionierte und aerodynamischere Autos zu bauen als beispielsweise der nationale Konkurrent Volvo. Das erste Modell, der Saab 92, wurde von einem genügsamen Zweizylinder-Zweitaktmotor befeuert.
Die Autos sahen aus, als hätten sie den Mund voll Limonade, freundlich und ein bisschen pausbäckig zugleich. Der weiterentwickelte Saab 96 errang in den sechziger Jahren Kultstatus, als der schwedische Rallye-Fahrer Erik Carlsson - der wegen seiner spektakulären Fahrweise, die manchmal zu Überschlägen führte, den Spitznamen "Carlsson auf dem Dach" trug - mit einem Saab 95 die Rallye Monte Carlo gewann. Das war 1962 und ´63.
Autos mit viel mehr Massen-Appeal, aber deutlich weniger Charakter
Mit den späteren Modellen 99, 900 und auch noch 9000, mit den Turbomotoren, der Sicherheitsausstattung und zumal mit den stets auffällig eleganten Cabriovarianten, schienen sich die Heydays von Saab fortzusetzen. Was die Stückzahlen betraf, köchelte Saab zwar stets auf kleiner Flamme, doch das machte die Leckerbissen aus Trollhättan nur umso begehrenswerter. Genau dies, die Stückzahlen nämlich, wollte GM nach oben treiben. An sich keine schlechte Idee. Falsch war vielmehr, zu diesem Zweck auf automobiles Fastfood im Designerlook zu vertrauen.
Es begann, was jetzt ein Ende fand. Für viele Menschen in Trollhättan wird Weihnachten 2011 ein trauriges Fest. Und für alle Saab-Fans wird es das auch.